Wallach Basti – Der Weg zu mehr Bewegungsfreude

Wallach Basti – Der Weg zu mehr Bewegungsfreude

Wenn Interieur und Exterieur eines Pferdes miteinander ringen, wird gutes Hufmanagement zur Kunst – und Hufbeschlag zur Vertrauenssache.

Basti bei der Hufbearbeitung

Ein Pferd mit Herz und Verstand – und einem Problem, das im Verborgenen lag

Basti, ein zwölfjähriger Oldenburger Wallach mit namhaftem Trakehner-Blut in den Adern, ist eines dieser Pferde, das man sofort ins Herz schließt. Er ist sympathisch, klar im Kopf und hat ein durch und durch rationales Wesen. Ein echtes Herzenspferd, wie es Reiter:innen sich nur wünschen können. Und doch: Wer ihn in Bewegung sieht, könnte meinen, Basti wolle gar nicht auffallen. Sein Bewegungsablauf wirkt eher verhalten – sparsam fast. War das seine Art? Oder doch ein stiller Schrei nach Entlastung?

Die Antwort sollte Jahre auf sich warten lassen.

Ein zögerlicher Anfang: Die ersten Jahre und eine schleichende Problematik

Mit sechs Jahren verließ Basti seine Kinderstube und fand den Weg zu seiner jetzigen Besitzerin. Alles schien zunächst unauffällig. Bastis Anatomie aber war ungewöhnlich: eine schmale Brust, sehr lange Fesseln, eine enge Zehenstellung vorne und untergeschobene Trachten. Hinzu kam ein überdurchschnittlich langes Wachstum bis etwa zum achten Lebensjahr – ein Umstand, der allein schon das Gleichgewicht im Pferdekörper empfindlich stören kann.

Mit sieben kam Basti in den Beritt. Dort änderte sich nicht nur das Training – auch das Hufmanagement wurde einem neuen System unterworfen. Die Zehen ließ man nun bewusst länger, vermutlich in der Hoffnung auf mehr Raumgriff und optisch eindrucksvollere Bewegungen im Dressurviereck. Die genauen Überlegungen blieben unklar – das Ergebnis war hingegen bald offensichtlich: eine wiederkehrende Lahmheit vorne links. Die Ursachen blieben zunächst im Dunkeln.

Wallach Basti – Der Weg zu mehr Bewegungsfreude

Diagnose unklar – Schmerz real

Es war eine Zeit voller Fragezeichen: Diagnostik, Injektionen, ein Weideunfall mit Trittverletzung oberhalb des Karpalgelenks – und keine klare Antwort. Die Lahmheit blieb. Die Besitzerin erinnerte sich rückblickend an eine gewisse Empfindlichkeit im vorderen Zehenbereich und ein häufiges „Nach-vorne-Stellen“ der Beine – eine mögliche Entlastungshaltung, wie man später verstand. Doch damals war all das nur Gefühl. Noch keine Gewissheit.

Management, das nicht in der eigenen Hand lag

Ein großer Teil des Problems: Die Hufversorgung lag nicht in der Hand seiner Besitzerin. Das Management war geprägt von unregelmäßigen Beschlags Intervallen, wechselnden Hufbearbeitungsphilosophien und unklarer Kommunikation. Immer wieder hatte seine Besitzerin das Gefühl, gegen eine Wand aus „so machen wir das hier“ anzureden. Fachliche Einwände stießen auf taube Ohren. Es fehlte nicht an Kompetenz – aber an Teamarbeit. An Zuhören. Und vor allem an Kontinuität.

Erst ein Stallwechsel brachte eine temporäre Verbesserung. Ein neuer Hufschmied beschlug die Hufe wieder kompakter, der Bewegungsablauf wurde freier – zumindest so lange, bis die Intervalle erneut unregelmäßig wurden (was meist der starken Auslastung der Hufschmiede geschuldet ist). Der Vorteil des kompakten Beschlags Stils wurde dadurch leider aufgehoben. Wieder trat die Lahmheit auf – immer zur gleichen Zeit im Jahr, mit dem Wechsel vom Winter zum Sommer. Es lag nahe, dass der jahreszeitlich bedingte verstärkte Hufhornzuwachs die Hebelverhältnisse im Huf in kurzer Zeit drastisch veränderte. Und Basti, mit seiner speziellen Anatomie, konnte diese Veränderungen nicht kompensieren.

Endlich eine Diagnose – und damit auch die Lösung?

Leider nein. Zwischen dem achten und elften Lebensjahr wurde endlich erkannt, dass die Ursache tief im Huf lag. Genauer: im Hufbein und der ungünstigen Position der einzelnen Knochen zueinander. Eine ausgeprägte anatomische Besonderheit – ein langgezogenes Hufbein mit einem palmaren Winkel von 4 Grad, was normalerweise ausreichend ist. Nicht so in diesem Fall. Die Form und Lage des Hufbeins, sowie das unnatürlich steil stehende Kronbein bedingten, wie wir noch ausführen werden, schmerzhafte Anomalien im Hufgelenk und potenziell im Fesselgelenk. Erschwerend kam hinzu: stark untergeschobene Trachten, wenig stoßdämpfender Hufballen, eine TBS (tiefe Beugesehne), die durch jeden Schritt an ihre Grenzen kam.

Zunächst änderte sich nach Diagnose Erstellung nicht viel, denn die angespannte

Arbeitssituation der Hufschmiede ließ wenig Spielraum für kürzere Intervalle. Bastis Bewegungsfähigkeit wurde zum Glücksspiel.

Aus der Krise wächst neue Stärke

In dieser ohnehin sensiblen Situation passierte ein weiteres Missgeschick – Basti verlor auf der Weide ein Eisen, wobei die Hufwand massiv beschädigt wurde.

Jetzt musste alles auf eine Karte gesetzt werden: Ein neuer Hufschmied übernahm den Fall mußte zunächst eine Notfall Versorgung einleiten.

Ein Wandaufbau mit Cast wurde notwendig, denn Nageln war bei der zerstörten Hornwand keine Option. Nach und nach regenerierte sich der Huf, die folgenden Beschläge wurden regelmäßig gesetzt – kompakt, mit zurückgesetztem Abrollpunkt. Basti erholte sich, wurde wieder reitbar. Doch kurz nach einem Ausritt: die nächste Lahmheit. Wieder vorne links. Die Diagnose diesmal: akute Hufgelenksentzündung.

Die daraufhin angefertigten Röntgenbilder bestätigten die bisherige Vermutung – und erklärten auch das ganze Ausmaß des Problems. Jetzt war klar: Basti litt unter einer dauerhaften mechanischen Überforderung, die bei jeder noch so kleinen Abweichung vom optimalen Winkel sofort zu Schmerz führte.

Der Gelenkspalt des Hufgelenks wurde im vorderen Bereich bei jedem Schritt schmerzhaft zusammengedrückt und entzündete sich. Der hintere Gelenkspalt-Bereich des Fesselgelenks war deutlich enger als der vordere Bereich, was ebenfalls Schmerz und Entzündung verursachen konnte.

An einem Beispiel erklärt:

Notfallversorgung
mit geklebtem Cast

Eine moderne kunststoffbasierte Binde, (früher Gipsbinde), wird auf den Huf und den Tragrand geklebt, um die Ausbrüche der Hornwand zu kompensieren und den Huf tragfähig zu erhalten, wenn Beschlagen nicht mehr möglich ist. Alternativ ist bei regelmäßigen Hufen auch eine Versorgung mit Hufschuhen denkbar.

Keilbeschlag – ein Kompromiss mit Weitblick

Tierarzt und Hufschmied entschieden sich für einen speziellen Keilbeschlag mit Strahlunterstützung und aufgeschweißten Rocker-Rail-Stegen. Diese Beschlagsvariante erleichtert das Abfußen nach vorne sowie in der Wendung, reduziert dabei den Wendeschmerz und verkürzt die Phase des Durchfußens. Dadurch wird die Belastung für Fesselträger und oberflächliche Beugesehne spürbar verringert – zwei Strukturen, die bei einem klassischen Keilbeschlag stärker beansprucht würden.

Ein Keilbeschlag bringt grundsätzlich gewisse Nebenwirkungen mit sich, doch in Bastis Fall wurde die Belastung durch gezielte Anpassungen gut kompensiert: Das verbesserte Abrollen, die verkürzte Zehenachse und eine fein abgestimmte Hufbearbeitung verkürzen die Belastungsdauer deutlich.

So konnte auch der Druck auf den Gelenkspalt erheblich reduziert werden – ein sorgfältig kalkulierter Kompromiss zwischen nötiger Unterstützung und Schonung der beteiligten Strukturen.Mit gezieltem Muskelaufbau, regelmäßiger Bewegung auf festem und tragfähigem Untergrund sowie einer ruhigen, stabilen Reitweise wird Basti die Herausforderung meistern.

Sein guter Muskeltonus und seine robuste Grundkonstitution geben ihm dafür die besten Voraussetzungen.

Fachlich erklärt:

Was ist ein Keilbeschlag?

Ein Keilbeschlag verändert die Winkelverhältnisse am und im Huf und entlastet bestimmte Gelenkbereiche – besonders sinnvoll bei niedrigen oder negativen Hufbein Winkeln. Aber VORSICHT: Gleichzeitig erhöht er aber die Belastung auf die Beugesehnen und den Fesselträger. Die Kunst liegt im richtigen Mass. Das Mass ist das Mass aller Dinge: Zitat: Hufwerk, Orthopäd. Beschläge.


Die Strahlunterstützung der Keileinlage sorgt dafür, dass der Hufstrahl weiterhin dem Bodendruck ausgesetzt ist, damit Hufmechanismus und Blutpumpe optimal funktionieren. So wird die Versorgung des Hufes sichergestellt und die Regeneration verbessert.


Die Rocker Rail Aufschweissstege sorgen für ein leichtes und zügiges Abrollen nach allen Seiten. Dadurch reduzieren sich die Hebelkräfte, bzw. die Zug- und Druckkräfte auf die Sehnen und Bänder im Huf. Das entlastet die sensiblen inneren Strukturen und kompensiert die Wirkung der Keileinlage auf die TBS.

Was bleibt: Ein Pferd mit Geschichte – und Perspektive

Seit zwei Monaten ist Basti lahmfrei. Das Fundament – sein Huf – ist stabilisiert. Die nächste Etappe kann beginnen: Muskelaufbau, Stabilisierung, später auch wieder mehr Beweglichkeit und Gymnastizierung. Der Plan: lange Ausritte im Schritt, über feste Böden, leichte Arbeit über Cavaletti, Baumstämme, kleine Steigungen. Kein Druck, kein Eile.

Und Basti? Er wird mitmachen. Ruhig, rational wie eh und je. Dankbar für Klarheit. Für Verlässlichkeit.

im Vergleich: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Basti's Hufsituation im Vergleich:

nach dem Beschlagen deutliche Verbesserung der Gelenkspalt-Situation, Harmonisierung der Huf-Fesselbein-Achse, verbesserte Winkelverhältnisse und damit Entlastung der erkrankten Strukturen.

Fazit: Was wir von Basti lernen können

Bastis Fall zeigt eindrücklich, wie vielschichtig Lahmheiten sein können und wie elementar gutes Hufmanagement ist – bereits von Fohlen an. Sie ist nicht nur Handwerk, sie ist Diagnostik, Feingefühl, Anatomieverständnis und Kommunikation in einem. Sie verlangt Teamgeist – zwischen Tierarzt, Hufschmied, Besitzerin. Und manchmal auch Mut zu Kompromissen.

Die limitierenden Faktoren – unregelmäßige Beschlagsintervalle, unklare Verantwortlichkeiten, Unfälle – lassen sich nicht immer vermeiden. Aber man kann ihnen begegnen: mit Wissen, mit Erfahrung, und mit einem zuverlässigen Hufschmied, der die Zusammenhänge erfasst und praktisch umsetzt. Nicht das perfekte Exterieur macht ein Reitpferd aus, sondern ein stabiles System, in dem jedes Teil im Einklang mit den anderen funktioniert. Und manchmal beginnt das alles bei ganz unscheinbaren Winkelverhältnissen im Huf.

Bastis Erfolgsgeschichte –

Ein Mensch, der den Unterschied macht

Was Basti möglicherweise entscheidend hilft, ist weniger ein einzelnes Verfahren, ein bestimmtes Medikament oder ein spezieller Beschlag, sondern die Haltung seiner Besitzerin.

Mit Besonnenheit, Empathie und stetigem Engagement begleitet sie den Prozess. Sie ist offen für neue Ansätze – stets getragen von einem Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrem Pferd.

Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, ihr Vertrauen in Fachleute sowie ihr reflektierter Blick machen sie zu einer wichtigen Partnerin im Team rund um Basti.

Sie ist aktiv in den Genesungsprozess eingebunden – nicht als Beobachterin, sondern als Teil der Lösung.

Dieser engagierte Einsatz ist oft entscheidend für den Erfolg bei der Arbeit mit Pferden: ein Mensch, der aufmerksam begleitet, mitdenkt und handelt – immer im Interesse des Tieres.

Leben ist Bewegung – Bewegung ist Leben

Teamwork rettet

Kein noch so kompetenter Schmied kann allein arbeiten. Basti zeigt: Es braucht Dialog, gegenseitigen Respekt und Engagement, den Weg konsequent zu gehen – zum Wohle des Pferdes.